Geistlicher Impuls für Mai:
„Ich bin ein Gast auf Erden“

Impuls

Ich bin ein Gast auf Erden
bekennt der Beter oder die Beterin des Psalm 119,19.

Diesen Satz finde ich auf dem Titelblatt der „Orientierungshilfe zum Umgang mit Sterbewünschen, zuizidalen Gedanken und Wünschen nach Suizidassistenz“. Und ich assoziiere sofort: Ja, klar. Wir müssen alle sterben. Wir werden nicht ewig auf der Erde leben. Es ist schön, mich als Gast auf einer gastlichen Erde zu verstehen, solange ich lebe.

Und dann schaue ich in den Psalm. Und die Basisbibel übersetzt: „Auch wenn ich hier im Land ein Fremder bin: Verbirg deine Gebote nicht vor mir! Meine Seele wünscht sich nichts mehr, als jederzeit nach deinen Gesetzen zu leben.“

Und mir wird klar, dass es da um jemanden geht, der nicht in seinem Land lebt, sondern Gastfreundschaft in dem Land genießt, in dem er lebt. Er will nichts lieber als sich Sitten und Gebräuchen anzupassen, die Geboten und Vorschriften halten, nach denen das Volk Israel lebt. Später bekennt er freimütig, dass diese Vorschriften „gute Ratgeber“ sind.

Versetze ich mich in die Lage, wie ein Gast, wie eine Fremde hier auf der Erde, in Bremen und überall andernorts zu leben, wird die Frage nach meinem „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ virulent. Wann bedanke ich mich für die Gastfreundschaft und gehe? Dann, wann Gott es vorgesehen hat oder die Palliativmedizin oder ich selbst, mit Hilfe eines anderen oder einer Sterbehilfeorganisation? Und sind das jeweils Gegensätze? Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die Suizidassistenz ermöglicht. Aber das Gericht hat den Bundestag zu weiteren rechtlichen Regelungen aufgerufen. Nun gibt es verschiedenste Gesetzesentwürfe. Welcher wird es werden?

Wir sind Fremde und Gäste auf Erden. Ich setze auf Suizidprävention. Sorgen wir füreinander. Sorgen wir möglichst dafür, dass wir durch Situationen, in denen wir mit unserem Leben auf dieser Erde fremdeln, hindurchgeführt werden und die Gastfreundschaft der Erde gern und gut auskosten können, bis zuletzt. Seien wir aufmerksam füreinander. Beziehung hilft. Gespräche helfen. Zuhören tut gut.

Ihre Pastorin Anja Vollendorf