Wenn es im Treppenhaus nach Essen duftet
Das Gemüse steht schon bereit. Zucchini, Zwiebeln und Paprika liegen auf dem ovalen Küchenesstisch, Hack und Nudeln ebenfalls. Montag und Dienstag ist Kochtag im Wohnhaus Parkstraße, einer Wohneinrichtung des Vereins für Innere Mission für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. An den beiden Tagen sorgt eine Kochgruppe dafür, dass ein frisch zubereitetes Mittagessen auf den Tisch kommt.
Ingrid ist eine der Köchinnen, die zum Kochen in das Wohnhaus kommt. Über das Angebot BOT-Aktiv der Inneren Mission nimmt sie regelmäß
ig an der Kochgruppe teil und verdient sich mit dem Kochen, Planen und Einkaufen Geld in Form einer Aufwandsentschädigung. Heute ist sie beim Mittagessen für die Zucchini zuständig. Und beim Schneiden sehr penibel.
Klein und einheitlich müssen die Zucchiniwürfel ausfallen, selbst wenn es lange dauert. Überhaupt ist sie sehr genau: Jede Zucchini befreit sie sorgfältig von der Schale, zerlegt sie in gleichdicke Streifen und schneidet die Stränge schließlich mit dem kleinen Küchenmesser in feine Stückchen. Grob gehackt kommt ihr nichts in den Topf.
Nicht alle schaffen es wie Ingrid, sich zum Kochen aufzuraffen. „Für einige ist 10 Uhr zu früh, auch für ein Frühstück“, weiß Stefanie. Stefanie gehört zum festen Mitarbeitendenstamm. Seit über 15 Jahren arbeitet sie bei den Angeboten für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung des Vereins für Innere Mission. Heute unterstützt sie die Hausbewohner*innen beim Kochen und schneidet Zwiebeln im Akkord.
Hackfleisch mit Gemüsepfanne und Spagetti steht auf dem Mittagsplan. Gebannt schaut Marei auf ihr Smartphone, verfolgt, ob ihr Rezeptvorschlag nach Plan verläuft. Seit einem Jahr kocht Marei in der Gruppe mit. Wie Ingrid wohnt Marei in einer Wohnung, die über die Ambulante Assistenz der Inneren Mission betreut wird, auch sie nimmt BOT-Aktiv in Anspruch. Marei liebt es, Rezepte vorzuschlagen, gern auch mal etwas Ausgefalleneres. Zum Beispiel Rösti-Wraps. „Haben wir noch nie gemacht, sieht aber lecker aus“, findet sie.
„Was halten Sie denn von Rösti-Wraps?“, fragt Alice, die duale Studentin, ihre Sitznachbarin Ingrid. Alice absolviert ein Praktikum im Wohnhaus Parkstraße, heute ist sie die Vierte in der Runde und schneidet sich tapfer durch drei Packungen Paprika hindurch. Ingrids Blick ruht ruhig auf dem Schneidebrett mit der Zucchini. „Hmmmm“, antwortet sie schließlich gedehnt, „ist so ein bisschen wie Toast Hawaii.“
Alles Gemüse ist geschnibbelt. Marei, bislang vor allem auf ihr Smartphone konzentriert, übernimmt mit plötzlichem Elan die Regie am Herd. Packt Töpfe aller Größen auf den Herd, portioniert Zwiebeln und Gemüse höchst genau, brät Veggi-Hack und Klassik-Hack, rührt in drei Gefäßen gleichzeitig, salzt, pfeffert, schmeckt ab, setzt Nudelwasser auf und kontrolliert, dass ja nichts anbrennt. Nebenbei blättert sie im grünen Auenland-Kochbuch nach neuen Rezepten. „Maikäfer-Suppe, die will ich mal machen!“, verkündet sie laut. Erstaunte Blicke von allen Seiten, doch am Tisch ist man sich einig: immer noch besser als ihr Vorschlag geschmorte Hobbitfüße.
Ein unwiderstehlicher Duft nach Gebratenem und Gemüseallerlei zieht durch das Haus, lockt erst einen, dann einen zweiten hungrigen Hausbewohner in die Küche. „In einer Stunde gibt es Mittag“, lautet Stefanies desillusionierende Antwort. Endlich wird aufgetischt, acht Personen genießen das Essen, klappern mit Besteck und Tellern. Wie immer ist manch einer und einem der Trubel zu viel. Dann wird im Wohnzimmer oder eigenen Zimmer gegessen.
Die Runde isst mit Appetit. Es kommt wie es kommen muss, Marei hat es vorhergesehen: „Wir können kochen, so viel wir wollen. Es reicht nie!“
Mahlzeit!