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Impuls zur Weihnacht

"Der Türgriff vom Stall"

Impuls

„Der Türgriff vom Stall“ 

Die Hände vom Wirt kenne ich.

Er hat harte Hände, Hornhaut vom Zäunesetzen und all der Knochenarbeit.

An dem Abend, als es geschah, war er auch kurz da.

Ich hab es an seinem Griff gemerkt: er ist es, und er will auch sehen, was passiert ist.

Eigentlich hat ja alles mit dieser kleinen Frauenhand angefangen.

Die war so kalt. Sie hat mich kurz angefaßt – dann kam eine Männerhand dazu und half die Tür aufstoßen. Diese wärmere Männerhand hat mich festgehalten, als die beiden in den Stall geguckt haben und seufzten.

Ich habe mich gefragt: Was wollen die hier ?

Ich hab die Stimme vom Wirt gehört, aber der ist dann weggegangen.

Der Mann hat gesagt: Naja, nun sind wir halt hier. Was Besseres finden wir um die Zeit nicht.

Sie hat immer nur geseufzt. Und ich habe mich schon gefragt, ob die immer so sind.

Er ist dann dauernd raus und rein, hat den Esel geholt, das Gepäck, eine Lunte für’s Licht und was zu essen. Seine Hände habe ich mir gemerkt – die konnten zugreifen. Sie nannte ihn Josef.

Und sie:

Sie hab ich auch nicht vergessen. Ihre Hand war so weich. Hat sich ganz zart um mich gelegt. Und war so kalt. Müde und doch irgendwie aufgeladen. Als hätte sie viel hinter, aber noch mehr vor sich.

Das sind so Ahnungen. Man weiß das als Türgriff nie genau. Man sieht ja nichts. Aber wenn man sich nicht auf seine Gefühle verließe, wo käme man hin ? Man wird halt von vielen angegriffen, und da lernt man die Unterschiede.

Als ich das Geschrei hörte, war mir klar, was sie mitgebracht hatte.

Ich sage euch, das war besonders.

Ich habe schon gehört, wie die Kuh ihr Junges kriegt. Aber das hier, das war anders.

Ich sage euch, das war, als wenn alles stillsteht.

Sie hat gestöhnt und geschrieen. Er hat auch gestöhnt und gezogen, ist rausgelaufen und wußte wohl nicht ob besser raus oder reingehen.

Und ich dachte an ihre Hand und wußte: Die hat Kraft.

Als er wieder reinkam, war’s still.

Und er ist hin zu ihr und hat geweint und gelacht. Und es kamen überhaupt Geräusche zu mir, die waren so schön, wie ich sie noch nicht gehört habe.

Schaumal, hat er gesagt. Immer nur das.

Sie hat gar nichts gesagt.

Und dann kamen andere Hände. Klopfen an der Tür, starkes Klopfen.

Das hat überhaupt noch nie einer getan: Anklopfen.

Ich weiß gar nicht, warum die alle kamen. Die müssen die drei Leute gekannt haben. Aber woher sie wußten, daß die hier sind – ich weiß es nicht. Aber als sie mich dann anfaßten und die Tür aufmachten, da waren sie sich sicher, das merkte man.

Als sie reinkamen, wurde es ganz still. Es hat überhaupt niemand gesprochen. Sie haben was ausgepackt und hingestellt. Dann weiter Schweigen. Als wenn die Zeit steht.

Den Text dürfen wir mit freundlicher Genehmigung von Thomas Hirsch-Hüffel veröffentlichen. Vielen Dank!
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