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Impuls zum Advent

Ein (Advents-)Licht im Dunkel der Trauer

Impuls

„Ein (Advents-)Licht im Dunkel der Trauer“

Am Totensonntag haben wir von den verstorbenen wohnungslosen Menschen unserer Stadt Abschied genommen. In einem Gottesdienst auf dem Waller Friedhof wurden ihre Namen verlesen: Namen von Menschen, deren Geschichten oft im Verborgenen bleiben. Einige von ihnen fanden auf der Grabstelle des Vereins für Innere Mission ihre letzte Ruhe.

Wenn ich dort eine Beerdigung begleite, nehme ich immer eine Blume mit. Auch dann, wenn ich allein bin. Besonders lebendig ist für mich die Erinnerung an die Beisetzung eines jungen Mannes, Anfang dreißig. Es waren keine Angehörigen gefunden worden. Und doch wusste ich: Irgendwo gibt es eine Mutter. Insbesondere für sie habe ich an dem Tag die Blume ins Grab gelegt – als leises Zeichen, dass ihr Sohn nicht ohne Begleitung gehen musste.

Wenige Wochen später erhielten wir einen Antrag auf Umbettung. Die Mutter aus Osteuropa hatte nach ihrem Sohn gesucht. Als sie erfuhr, dass er verstorben war, stand für sie fest: Seine Urne soll nach Hause kommen. Auch darin zeigt sich die lange, unerschütterliche Liebe eines Elternteils – über Grenzen, über Jahre und über den Tod hinaus.

Während viele Menschen nach dem Totensonntag mühelos in die adventliche Vorfreude eintauchen – mit Märkten, Lichtern, Düften und Klängen – tragen Trauernde eine Schwere in sich, die kaum in diese heitere Zeit passt. Und für Eltern, die ein Kind verloren haben, ist dieser Übergang oft kaum zu bewältigen.

Mütter, die ein ungeborenes Kind betrauern. Väter, die ihr minderjähriges Kind zu Grabe tragen mussten. Altgewordene Eltern, die sich fragen: „Warum musste mein erwachsenes Kind sterben und nicht ich?“

Ihr Schmerz begleitet sie in diese Wochen, die für andere unbeschwert erscheinen.

Darum leuchten am Worldwide Candle Lighting Day, am zweiten Sonntag im Dezember, an vielen Orten einzelne Kerzen in den Fenstern. Es sind Lichter für die verstorbenen Kinder. Diese Lichter erinnern an sie: an Söhne und Töchter, Enkelkinder, Geschwisterkinder, Patenkinder und diejenigen, die Nachbarn und Freund:innen im Herzen tragen. Diese Kerzen sagen den Trauernden: Du bist nicht allein.

Für mich ist das die große Botschaft unseres Glaubens: Gott geht mit, auch durch die dunkelsten Täler. Gott lässt uns nicht los. Gottes Licht begleitet uns, besonders dort, wo unsere eigene Kraft kaum reicht. Wunderbar benannt in einem der großen Trosttexte der Bibel, dem 23. Psalm: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, du bist bei mir.“

Darum lade ich ein: Stellen wir am Abend des 14. Dezember ein Licht ins Fenster: Ein Licht der Erinnerung, der Solidarität und der Hoffnung. Für ein Kind, von dem wir selbst Abschied nehmen mussten. Oder für die verstorbenen Kinder all jener um uns herum, die oft unsichtbar ihren Schmerz tragen.

Ein kleines Licht, das den Weg durch die Dunkelheit ein Stück heller macht.

Eine gesegnete Adventszeit wünscht

Pastorin Inga Schönfeld
Seelsorgerin im Verein für Innere Mission in Bremen